Opferberatungsstellen weisen Generalverdacht zurück
Die hessische Landesregierung beabsichtigt ab dem 01.01.2018 Mitarbeiter*innen von Demokratieprojekten durch den Verfassungsschutz sicherheitsüberprüfen zu lassen. Grundlage hierfür ist die Änderung des Sicherheitsüberprüfungsgesetz. Das hessische Innenministerium etabliert durch die Wiedereinführung einer nun erweiterten „Extremismusklausel“ ein grundsätzliches Misstrauen gegenüber den Trägern und vor allem deren Angestellten. Arbeitnehmer*innen werden in ihrer engagierten Arbeit für Demokratie und Menschenrechte unter den Generalverdacht der Verfassungsfeindlichkeit gestellt.
Der Verband der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt (VBRG) begrüßt, dass der hessische Innenminister Herr Peter Beuth die Arbeit der Demokratieprojekte nach einem Treffen mit den Trägervereinen öffentlich gewürdigt hat. Umso unverständlicher ist es, dass am Plan der geheimdienstlichen Gesinnungsprüfung von Projektträgern, die neu Bundesmittel beantragen, und von bestehenden Mitarbeiter*innen bei „begründetem Fall“ weiter festgehalten wird. Vom gemeinsamen Bekenntnis der Fraktionsvorsitzenden Michael Boddenberg (CDU) und Mathias Wagner (Bündnis 90/DIE GRÜNEN) „Präventionsarbeit basiert auf Vertrauen“ bleibt so nichts übrig.
Von dieser Regelung in Teilen betroffen wären auch unsere Kolleg*innen von response, der fachspezifischen Beratungsstelle in Hessen.
Hierbei handelt es sich aus Sicht des VBRG um einen eklatanten, antidemokratischen Eingriff in die Grundrechte der Mitarbeiter*innen. Das Vorhaben geht weit über die vor einigen Jahren teilweise zurückgenommene „Extremismusklausel“ des Bundes hinaus.
Dazu Robert Kusche vom Verband der Beratungsstellen: „Auch unsere hessischen Kolleg*innen werden damit unter den Verdacht gestellt, sich demokratiefeindlich zu betätigen. Sie sollen einen aus Sicht des VBRG rechtswidrigen Eingriff in ihre Grundrechte akzeptieren. Das damit zum Ausdruck gebrachte Misstrauen gegenüber Personen, die sich seit vielen Jahren gegen Neonazismus, Rassismus und andere menschenverachtende Ideologien und Handlungen einsetzen, ist skandalös. Die Pläne müssen sofort zurück genommen werden. Ein solches Vorgehen erinnert an autoritäre Staaten und nicht an eine demokratische und weltoffene Gesellschaft.“
Die geplante Ausweitung der Kompetenzen des Verfassungsschutzes ist empörend, insbesondere vor dem Hintergrund der bis heute ungeklärten Rolle der Verfassungsschutzbehörden im Kontext der rassistischen Mordserie durch den NSU.
Dazu Robert Kusche: „Der NSU-Bundestagsuntersuchungsausschuss empfahl in seinem Abschlussbericht eine Öffnung der Behörde und eine laufende Auseinandersetzung mit Wissenschaft und Zivilgesellschaft. Die geplante Regelung konterkariert diese parteiübergreifende Forderung, da der Verfassungsschutz künftig de facto über die Stellenbesetzungen in den Projekten entscheiden soll.“
Die Maßnahme nach dem hessischen Sicherheitsüberprüfungsgesetz selbst bleibt intransparent und kaum nachvollziehbar. Was genau „eine entsprechende Speicherung bei der Verfassungsschutzbehörde“ ausmacht, welche Kriterien angewendet werden, was ein „begründeter Fall“ ist und wer dieses bestimmt, bleibt unklar. Der Willkür des Geheimdienstes ist damit Tür und Tor geöffnet.
Dazu Robert Kusche vom Verband der Beratungsstellen: „Damit dockt diese Maßnahme direkt an Strategien der neuen und extremen Rechten an, die immer wieder versuchen, die Arbeit der Opferberatungen zu diffamieren und gegen Geflüchtete, Migrant*innen und Andersdenkende zu hetzen. Der VBRG fordert daher eine sofortige Zurücknahme dieser Regelung“.
Bei Rückfragen zu dieser Presseerklärung wenden sie sich bitte an Robert Kusche, E-Mail: r.kusche@verband-brg.de.